CAE-System im härtesten Wettbewerb: Solar-Mobil umrundet die Welt
Ihr neues Solar-Mobil, der „SolarWorld Gran Turismo“, geht aktuell in Australien ins größte und gleichzeitig härteste Langstrecken-Rennen für Solar-Fahrzeuge.
Der Sonne entgegen – das nehmen Studenten der Hochschule Bochum wörtlich, die im Oktober mit ihrem neuen Solar-Mobil die „World Solar Challenge“ in Australien absolvieren. Dabei ist das 3000 km lange Rennen durch das Outback erst der Anfang: Das Fahrzeug soll ohne jede Energieeinspeisung ein Jahr die Welt umrunden. In Eigenregie hat ein fast 30-köpfiges Team den Boliden geplant, konstruiert und gefertigt. 3 qm Solarzellen wurden verklebt, der Radnabenmotor selbst entwickelt und die komplexe Elektronik und Elektrotechnik mit EPLAN Electric P8 dokumentiert. Einmal mehr sorgt die „BO“ – die Hochschule Bochum – für Schlagzeilen: Ihr neues Solar-Mobil, der „SolarWorld Gran Turismo“, geht aktuell in Australien ins größte und gleichzeitig härteste Langstrecken-Rennen für Solar-Fahrzeuge. Der Startschuss des 8-tägigen Rennens, an dem rund 30 Teams aus aller Welt teilnehmen, fällt am 16. Oktober. Mit viel Kreativität und Erfindergeist haben die Bochumer, die seit Jahren zu den Favoriten gehören, einen Boliden entwickelt, der die Welt ins Staunen versetzt. Denn mit dem Rennen in Australien ist es nicht getan: 365 Tage soll der SolarWorld GT die Welt umrunden und zwar ohne jede Fremdenergie. Einzig und allein durch die Sonne wird das Fahrzeug betrieben; eine Fremdaufladung ist tabu. Das Ziel ist ehrgeizig, genau wie das Team hinter dem neuen Sonnenflitzer. Die nächste Etappe findet im Dezember in Neuseeland statt, und im neuen Jahr erkundet das Fahrzeug dann weiter die Kontinente. USA und Marokko, Spanien, Frankreich und weitere europäische Länder wie auch China und Russland sind Stationen der Reise, die dem Team der Hochschule Bochum und Sponsor DHL logistische Meisterleistungen abverlangt. Bis ins Detail dokumentiert
Einer, der das Auto mitentwickelt hat, ist Matthias Drossel, Student der Elektrotechnik im zweiten Semester. Bereits zum Start des Studiums wurde er Mitglied im Solar-Car-Team. Dies war übrigens einer der Gründe, warum er bei der „BO“ angeheuert hat. Sein Vorteil: Als gelernter Elektroniker für Betriebstechnik brachte er schon einiges an Fachwissen mit, das in die Entwicklung einfloss. Monatelang hat er konstruiert, gezeichnet und getüftelt und die gesamte Automatisierungstechnik und Elektronik in EPLAN Electric P8 sorgfältig dokumentiert. Elektrotechnische Wirkungsgrade wurden hinterlegt, Makros erstellt, Kabel verlegt und Verbindungs- wie auch Klemmenlisten generiert. In der Software fand er sich schnell zurecht und ist zufrieden, dass alles reibungslos funktioniert. Schwarz auf weiß findet sich im A0-formatigen Schaltplan das beeindruckende Ergebnis: Niederspannungsbox und Bordelektronik, Solargeneratoren und Tracker (Regler, die den Einspeisewirkungsgrad der Solarzellen optimieren), Motor und Motorcontroller wurden inklusive aller Kabel detailliert geplant. Nun hört die Arbeit des Studenten nicht bei der Konstruktion auf - ganz im Gegenteil. Mit viel Engagement hat der 23-jährige mit seinen Kommilitonen die Kabel im Auto verlegt; Steuerungen programmiert, Batterieblöcke gefertigt und Komponenten verklebt. Selbst machen ist die Devise, die vom gesamten Team vollen Einsatz fordert. Sogar der integrierte Radnabenmotor des Fahrzeugs wurde von den Studenten selbst entwickelt und gefertigt. Stundenlang wurden Spulen gewickelt und das Ergebnis bringt selbst erfahrene Fachleute zum Staunen. Alles in Eigenregie entwickelt
Die Karosserie des Solarfahrzeugs besteht aus Kohlefaser und ist unter Technik- und Designaspekten extrem leicht und aerodynamisch konzipiert. Die exakten Windwiderstandswerte wurden extra im Windkanal bei Audi Ingolstadt getestet und die Ergebnisse flossen ins Energiemanagement ein. Die Außenhaut wurde per Hand laminiert, die eingesetzte Solartechnik manuell aufgebracht. Drei Quadratmeter Solarmodule mit einem 30-prozentigen Wirkungsgrad wurden im Gran Turismo verbaut – das entspricht 935 einzelnen Zellen. So genannte Tracker sorgen dafür, dass die Solarmodule passend zum einfallenden Sonnenlicht immer im optimalen Arbeitspunkt betrieben werden. Natürlich ist die Aufteilung der Solarfelder nicht zufällig gewählt, sondern dem Sonnenverlauf optimal angepasst. Die erzeugte Energie des Fahrzeugs liegt bei rund 800 Watt – das ist viel und klingt im Vergleich zum Alltag dennoch wenig. Stellt sich die Frage: Wie kann mit dieser Leistung ein Auto mit Fahrer und einem Gesamtgewicht von ca. 260 kg im Rollen bleiben? Die Antwort ist einfach: Die passende Energieverteilung über die Fahrzeit und die richtige Taktik ist entscheidend – Sonne natürlich vorausgesetzt. Eine gleichmäßige Geschwindigkeit von rund 60 Stundenkilometern ist auf Strecke gesehen viel klüger, als das Gaspedal durchzutreten. Zwar lässt sich eine Höchstgeschwindigkeit von rund 120 km/h durchaus erreichen, aber diese verbraucht klassisch viel Energie. Es kommt also auf die optimale Energienutzung und die richtigen Entscheidungen an, falls doch einmal Wolken die Sonne verdunkeln. Intelligentes Batteriemanagement
Da das Fahrzeug aus versicherungstechnischen Gründen zugelassen werden muss, war auch die EMV-Verträglichkeit mit Einsatz des CAN-Bus eine knifflige Aufgabe. Das Team muss sicherstellen, dass keine Störungen, sei es von innen im Fahrzeug durch hohe Motorströme, Sprechfunk, Sensoren oder Batterien oder von außen durch beispielsweise Sendemasten, den reibungslosen Betrieb von Fahrzeug und Elektronik stören. Weitere Herausforderung war das Batteriemanagement, das die Bochumer überzeugend gelöst haben: Die 470 Lithium-Zellen werden über Sensoren gemessen – per Balancing der Batterieblöcke ist ein optimaler Ladungsausgleich und damit eine ideale Energieverteilung möglich. Ein Display in der Mittelkonsole gibt Auskünfte über die komplette Bordelektronik – beispielsweise die Reserven in den Batterien, den Stromverbrauch und die Beleuchtung mit Blinker und Bremslicht. Alle im Auto eingesetzten Module – vom Bordcomputer bis zur Niederspannungsbox, wurden als Black Box gezeichnet und konstruiert. Falls also im Rennen ein Teil ausfällt, wird das betroffene Modul komplett ersetzt. Das spart kostbare Zeit und sichert eine schnelle Fehlerbehebung. Ziel: Energieeffizienz und Praxisnähe
Als Zweisitzer ist das Auto im positivsten Sinne ein echter „Schock“ für die führenden Entwicklungsteams von Solar-Rennwagen, die klassisch auf Minimalgewicht, Rennqualität und vielfach drei Räder ausgelegt sind. Doch die Bochumer streben mit dem Solar World GT nicht den Platz auf dem Siegertreppchen an – wohl aber in Sachen Design, das schon bei früheren Fahrzeugen wie dem „BOcruiser“ und dem „SolarWorld No. 1“ prämiert wurde. Das Team hat das Fahrzeug so konzipiert, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch für die reale Praxis im Bau von Solarautos übertragbar sind. „Wir wollen nicht die ersten sein, sondern die Besten“, verdeutlicht Stefan Spychalski, Leiter Öffentlichkeitsarbeit des Projekts an der Hochschule Bochum, die Maxime. „Unser Ziel war, ein energieeffizientes Fahrzeug zu bauen und als Hochschule den Alltag im Blick zu haben.“ Eine echte Evolution realer Technik und der Forschungscharakter stehen also an erster Stelle; der Wissenstransfer soll und muss aus Sicht der Bochumer die Anforderungen der Praxis berücksichtigen. Aktuell stehen die letzten EMV-Messungen und Bremstests zur Zulassung an, und wenn alles reibungslos läuft, heißt es am 16. Oktober: „Go, Gran Turismo“. Vorher wird das Fahrzeug per Container verschifft – aber wer weiß: Vielleicht wird das nächste Gefährt direkt ein Amphibienfahrzeug – den Bochumern ist alles zuzutrauen. Mehr Infos und Tour-Tagebuch unter: www.hs-bochum.de/solarcar.
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Flottes Design und eine maximale Geschwindigkeit von 120 km/h kennzeichnen den SolarWorld GT, mit dem die Bochumer in Australien an den Start gehen.
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Einmal Probesitzen: Matthias Drossel, Student im 2. Semester, ist Mitglied im Solar-Car-Team und hat elektrotechnisch das Fahrzeug mitentwickelt.